Der Zweite Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg dauert nahezu sechs Jahre. Natürlich hat es in dieser Zeit so einige Veränderungen gegeben. Viele Familien waren mit ihren Kindern evakuiert. Das heißt, die Familien wurden in Gegenden verschickt, wo es keine Bombenangriffe gab. Auch wir waren davon betroffen. Insgesamt war ich mit der Mutter drei Mal evakuiert. Das letzte Mal, also bis zum Ende des Krieges war auch Vater dabei, er war ja in der
Zwischenzeit schon Rentner. Aus den früheren Jahren, von 1932 bis 1938, hatte Vater und Mutter noch eine gut befreundete Familie in Ostpreußen. In der Nähe von Friedrichsdorf hatten sie ein kleines Häuschen angemietet. Sie hatten also Platz und haben Mutter und mich aufgenommen. In dieser Gegend waren wir einige Monate. In Sorge um ihre zwei zu Hause gebliebenen Männer, Vater und mein Bruder Walter, hatte Mutter Angst, die beiden kämen nicht zurecht. Sie ließ mich bei der Familie Rupscheid und fuhr nach Hause. Ich freundete mich mit der Tochter des dortigen Großbauern an. Wir zwei hatten sehr viel Spaß miteinander. Es war ein wunderschöner Sommer und wir streiften durch die Wiesen und Felder. Besonders hatte es uns der zwischenzeitlich gereifte Mohn angetan. Mit einem Hochgenus haben wir die Mohnkapseln geöffnet und mit vollen Händen gegessen.
Dass uns dieses schlecht bekommen wird, konnten wir nicht ahnen. Schon nach wenigen Stunden wurde es uns kotzübel und unser Mägen drängte auf Leerung. Mir jedenfalls ist diese Begebenheit bis zum heutigen Tage in Erinnerung geblieben. Das heißt, ich kann bis zum heutigen Tage noch keinen Mohn sehen, was auch in meiner Familie bekannt ist.
An eine weitere Episode kann ich mich auch noch erinnern. Es war an einem Sommerabend, Harry, der Bauer beauftragte mich, die Stute Lotte von der Weide zu holen. Er übergab mir das Zaumzeug und ich machte mich auf den Weg. Etwa einhundert Meter war die Weide vom Bauernhof entfernt. Als ich mich der Weide näherte, rief ich schon: „Lotte“, und hielt das Zaumzeug in die Höhe. Mal sehen, wie der Junge sich anstellt, muss wohl der Bauer gedacht haben. Der Weg zur Koppel führte an einer sehr alten und mächtigen Eiche vorbei. Drei Männer mit ihren ausgebreiteten Armen reichten nicht aus, um diese Eiche zu umschlingen. Am Weidengatter angekommen, rief ich noch einmal: „Lotte.“ Ich öffnete das Gatter und wollte sie holen. Doch was dann kam, versetzte mich in Angst und Schrecken. Lotte, die gerade beim Grasen war, hob ihren Kopf. Es muss ihr wohl nicht gefallen haben, dass ich sie von der Weide holen wollte. Sie legte die Ohren an und kam wie eine Furie angerannt. Natürlich bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich nahm meine Beine in die Hand und rannte um mein Leben. Der Bauer hatte dieses Schauspiel wohl beobachtet. Um Schlimmeres zu verhüten, kam er mir entgegen gelaufen und rief nur immer: „Lotte, Lotte, Lotte.“ In meiner Not konnte ich noch die dicke Eiche erreichen. Unmittelbar hinter dieser Eiche warf ich mich zu Boden und der Gaul rannte an mir und dem Bauern vorbei in seine Box. Wie ich diesen Kunstsprung, mit meinen neun Jahren geschafft habe, weiß ich bis heute noch nicht.
ENDE